Es ist Ende Dezember und ein kalter Montagmorgen inmitten von Floridsdorf. Eine Dame steuert am Satzingerweg gemeinsam mit ihrer dreijährigen Dackelschnauzer-Hündin zielstrebig auf einen großen, schwarzen Vogel zu. “Kumm, Fritzerl, ich hab dir wieder was mitbracht”, sagt Frau Beate und wirft Reste eines “Hendlhaxns” einer Krähe zu. Eine Szene, die sich täglich wiederholt. “Jeden Tag besuche ich meine Jungs, immer zwischen 7 und 8 Uhr.” Fritzerl ist dabei nur eine von rund 200.000 Krähen, die in der kalten Jahreszeit in Wien leben.Krähe ist nicht gleich Krähe
In Wien kommen mehrere Krähenarten vor. Die Saatkrähe ist hier nur über die Wintermonate zu Gast. Rund 140.000 Saatkrähen ziehen Jahr für Jahr in Schwärmen von Nordosteuropa und Russland, wo sie geboren wurden, nach Österreich. Nur 20 bis 30 Pärchen sind in Wien groß geworden. Die Krähen haben in Wien mehrere Sammelplätze. Von dort fliegen sie fast geschlossen zu den bekannten Schlafplätzen am Stadtrand, beispielsweise zu den Steinhofgründen am Wilhelminenberg, in den Prater oder die Lobau. Wenn die Dämmerung von den schwarzen Schwärmen durchzogen wird, bietet sich ein beindruckendes Naturschauspiel.
Die in Wien ganzjährig ansässige Aaskrähe, mit den Unterarten schwarze Rabenkrähe und Nebelkrähe, hat ihren Schlafplatz in der Regel dagegen immer nur an einer Örtlichkeit. Die Saatkrähe unterscheidet sich von den anderen Krähenarten durch einen grauen Schnabel und gefiederte Beine. Professor Hans-Christoph Winkler vom Konrad-Lorenz-Institut für vergleichende Verhaltensforschung setzt den Intelligenzgrad einer Krähe auf die Stufe eines Affen: “Intelligenter als Krähen sind höchstens noch die Graupapageien.” Wie intelligent die gefiederten Allesfresser sind, zeigt auch ihr Erfindungsreichtum bei der Nahrungsbeschaffung. So wurden Krähen dabei beobachtet, wie sie gezielt Nüsse auf befahrene Straßen fallen ließen, um diese durch die darüber fahrenden Autos aufbrechen zu lassen.
Besonders geschützt
Krähen werden zwischen fünf und 20 Jahre alt, wobei sie selten das Höchstalter erreichen. Die in Wien beheimatete Aaskrähen-Population nimmt laut Harald Gross, dem Krähenexperten der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22), aber zu. “Früher”, erzählt er, “hat man die Krähen sogar abgeschossen. Denn das Verhältnis des Menschen zur Krähe ist zwiespältig. Viele lieben sie, andere haben Angst vor ihnen, weil sie zu laut sind oder zu aggressiv. In Wirklichkeit sind sie sehr kommunikativ und blitzgescheite Wesen.” Mittlerweile sind die Vögel durch EU-Bestimmungen, das Wiener Jagdgesetz sowie das Wiener Naturschutzgesetz gesondert geschützt.
Krähenforschung im Tiergarten Schönbrunn
Derzeit läuft in Schönbrunn im Rahmen eines Forschungsauftrags des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) ein über drei Jahre gehendes Aaskrähenprojekt. Die Projektleiterin Christine Schwab von der Universität Wien untersucht dabei, welche sozialen Lernstrategien Aaskrähen anwenden. Eine der spannenden Fragen ist dabei, ob Krähen von Artgenossen gleichermaßen gut und gerne lernen. Um die Vögel voneinander zu unterscheiden, werden sie mit Farbringen markiert. Viele der markierten Tiere halten sich untertags im Schlossgarten Schönbrunn auf, etliche treiben sich laut Schwab aber auch außerhalb des Schlossparks herum. Schwab ersucht die Wiener Bevölkerung daher um Unterstützung bei der Sichtung von markierten Krähen in Wien. Die Ergebnisse der Studien in Schönbrunn “helfen uns zu verstehen, welche Voraussetzung es zur Entstehung von Kultur braucht” und welche Mechanismen dafür notwendig seien, sagt die Vogel-Forscherin.
Meldungen über die Sichtung (Datum, Zeit, Ort) von markierten Krähen innerhalb Wiens an:ch_schwab@yahoo.com