Alphaaffairs interviewte die Unternehmer Anton Stummer (Parfümerie Stummer) und Sedat Tokmak im Ekazent Siebenbürgerstraße.
Im Donaustadtecho 22 konnten wir das Interview leider nur auszugsweise wiedergeben, hier wird es in voller Länge angeführt.
Die Nahversorger ums Eck erzählen aus ihren Erfahrungen in der Siebenbürgerstraße.
Ein spannendes Interview mit den beiden Gewerbetreibenden!
Herr Stummer, nächstes Jahr feiern Sie mit Ihrer Parfümerie 50jähriges Jubiläum in der Ekazent Ladenzeile Siebenbürgerstraße. Wie haben Sie den demographischen Wandel in Wien Donaustadt in den vergangenen Jahrzehnten miterlebt?
Für mich hat sich vor allem die Altersstruktur entscheidend verändert. Als wir 1964 mit unserem Geschäft, damals noch einer Drogerie, starteten, war das Grätzel rund um die Siebenbügerstraße ein ganz modernes Entwicklungsgebiet. Die neuen Gemeindewohnungen waren speziell für junge Familien mit Kindern vorgesehen. Das hat sich im Laufe der Zeit deutlich verändert. Das Publikum ist mitgewachsen und hat andere Bedürfnisse als damals entwickelt. Heute leben viele ältere Menschen in unserem Bezirksteil, andererseits hat es aber auch eine große Zuwanderung von Familien mit Migrationshintergrund gegeben.
Wie hat sich diese Entwicklung auf die Geschäftsstruktur ausgewirkt?
Mitte der 80er Jahre haben wir unsere Drogerie – damals mit eher breitem Sortiment – auf eine Parfümerie mit Fokus auf Düfte und Kosmetikprodukte umgestellt. Das war notwendig um als Einzelhändler bestehen zu können. Auch die persönliche Beratung und ein herzlicher Umgang mit den KundInnen spielt eine immer wichtigere Rolle um sich als Selbstständiger gegen große Einkaufszentren behaupten zu können.
Herr Tokmak, der erste Se-Pas Supermarkt wurde 2008 eröffnet. Mittlerweile sind Sie mit 4 Filialen in den Ekazent Ladenzeilen vertreten, 2 davon im 22. Bezirk. Wie haben Sie den Start in den Ladenzeilen erlebt?
Sehr positiv. Wir wurden gut in Wien aufgenommen, Akzeptanz war von Anfang an vorhanden – sowohl seitens der Kundschaft als auch der anderen Nahversorger-Betriebe. Für uns als Familienbetrieb mit Migrationshintergrund die beste Grundlage, um in einer neuen Stadt wachsen und gedeihen zu können.
Als internationaler Supermarkt bieten Sie neben österreichischen Produkten auch besondere Spezialitäten aus dem arabischen Raum oder der Türkei sowie täglich frisches Fleisch und Gemüse an. Zieht das breite Sortiment eher österreichisches Publikum oder internationale Kundschaft in ihre Geschäfte?
Unsere Kundschaft ist bunt durchgemischt. Wir verfügen über ein breites Sortiment an Lebensmitteln für den täglichen Bedarf, wie frisches Fleisch, Obst oder Gemüse, eben Produkten, die es ansonsten nur auf großen Märkten, wie dem Naschmarkt zu kaufen gibt. Zusätzlich haben wir auch österreichische Lebensmittel im Angebot. Diese Vielfalt schätzen sowohl die „alten“ als auch die „neuen“ WienerInnen.
Stummer: Da stimme ich Hr. Tokmak vollkommen zu. Auch ich gehe immer wieder gerne zu Se-Pas einkaufen, da ich großen Wert auf Vielfalt und Frische der Lebensmittel lege.
Tokmak: Viele der österreichischen KundInnen interessieren sich außerdem für die Zubereitung türkischer oder arabischer Lebensmittel. Ein Trend, den wir deutlich spüren. Da stehen wir immer gerne mit Rat und Tat zur Seite.
Bieten Sie auch andere Dienstleistungen für die Menschen in der Umgebung an?
Tokmak: Ja, wir haben einen eigenen Lieferservice, bei dem wir auch frische Produkte wie Fleisch oder Gemüse zustellen. Dieses Angebot wird vor allem vom naheliegenden Kindergarten und der Behindertenwerkstätte genutzt, zum Beispiel für das Mittagessen. Auch ältere Personen melden sich immer wieder bei uns und lassen sich Produkte zustellen.
Herr Stummer, wie sieht es im Parfümerie-Geschäft aus? Denken Sie, dass unterschiedliche Wurzeln das Einkaufsverhalten beeinflussen?
Mir ist aufgefallen, dass die österreichischen KundInnen großen Wert auf Markenprodukte legen, vor allem aus dem Kosmetikbereich. Diese Produkte werden von KundInnen mit Migrationshintergrund eher wenig nachgefragt. Dahingegen sind bei Herren mit nicht-österreichischen Wurzeln vor allem exklusive Düfte beliebt, Damen greifen besonders gerne zu Accessoires wie Schals oder Tüchern. Auf diese Nachfrage haben wir reagiert und unser Sortiment erweitert. Bei den jungen KonsumentInnen, die bereits in Österreich geboren sind, hat sich das Kaufverhalten mehr oder weniger angeglichen.
Herr Tokmak, wie gehen Sie mit dem Thema Ausbildung bei Se-Pas um? Woher stammen die meisten ihrer Mitarbeiter?
Tokmak: Se-Pas ist eigentlich ein Familienbetrieb. Mittlerweile haben wir allerdings 7 Filialen mit über 30 MitarbeiterInnen. Das ist selbst für eine Großfamilie zu viel. Da noch weitere Geschäfte in Planung sind, werden wir auch Angestellte aufnehmen.
Bieten Sie ihren MitarbeiterInnen auch spezielle Schulungen an?
Tokmak: Unsere MitarbeiterInnen werden laufend geschult, insbesondere was den Umgang mit älteren und körperlich eingeschränkten Menschen betrifft, da diese eben durch die Altersstruktur und die naheliegende Behindertenwerkstätte zu unserer Hauptzielgruppe zählen.
Herr Stummer, wie stehen Sie zum Thema Ausbildung? Konnten Sie bereits Lehrlinge mit Migrationshintergrund für ihre Parfümerie gewinnen?
Stummer: Als traditioneller Familienbetrieb setzen wir bei der Ausbildung vor allem auf das persönliche Verhältnis zu unseren Lehrlingen, die Herkunft spielt bei der Auswahl keine Rolle. Mittlerweile besitzen jedoch fast 80 % unserer Lehrlinge nicht-österreichische Wurzeln, viele sind türkischer Abstammung. Das hat sich durch die demographische Entwicklung so ergeben – wir haben bis jetzt nur gute Erfahrungen gemacht. Erst vor kurzem wurde ein türkisches Mädchen als bester Lehrling ausgezeichnet. Die meisten der Jugendlichen stammen außerdem direkt aus dem 22. Bezirk. Da schauen auch die Eltern gerne mal vorbei, was uns als Familienbetrieb besonders freut.
Durch die veränderten demographischen Verhältnisse haben sich auch neue Feiertage in Österreich manifestiert. Sehen Sie das als Thema für den Handel?
Stummer: Bei uns eher wenig. Ostern und Weihnachten sind nach wie vor die Hauptverkaufszeiten. Allerdings hat sich das Weihnachtsgeschäft verlängert, da in orthodoxen Kirchen Weihnachten erst am 6./7. Jänner gefeiert wird. Dadurch werden rund um Neujahr noch viele Geschenke gekauft. Auch der Valentinstag zählt mittlerweile bei sämtlichen Nationen zu den beliebtesten Festtagen, ist bei uns mittlerweile sogar stärker als der Muttertag.
Tokmak: Wir beziehen uns mit unseren Angeboten fast ausschließlich auf die österreichischen Feiertage. Im Mai und Juni sind wir allerdings immer wieder als Sponsor für Feste in Kulturvereinen und Moscheén, sog. Kermes aktiv. Da bieten wir neben Produkten z. B. auch Live-Kochen als eigenen Programmpunkt an.
Wie stehen Sie dem Thema Migration in Wien Donaustadt im Allgemeinen gegenüber?
Tokmak: Ich habe bis jetzt keine negativen Erfahrungen gemacht. Auch das Verhältnis der Mieter untereinander, wie z.B. mit Hr. Stummer, ist ein sehr Gutes. Man kennt sich und trifft sich als „Nachbarn“ regelmäßig.
Stummer: Mir geht es genauso. Durch gemeinsame Veranstaltungen und Mietertreffen klappt die Kommunikation sehr gut. Ich hoffe, dass wir das zukünftig noch intensivieren können.
(c) Text und Bilder Alphaaffairs Kommunikationsberatung GmbH