Karl Dampier
Eine neue alte Idee
Ob im eigenen Fahrzeug, im Bus, zuweilen auch in der Bim: In den Stoßzeiten nimmt einen der Stau in seine Fänge. In schlimmen Fällen ist er sogar kilometerlang. Wer hat in solchen Situationen noch nicht davon geträumt, dem stinkenden, lärmenden, zeitraubenden Verkehrstrubel zu entkommen – beispielsweise dadurch, dass man sich einfach in die Luft erhebt und das Desaster überfliegt? Ja, Flügel müsste man haben…
Der Wunsch nach den eigenen Flügeln ist und bleibt eine Illusion; der Wunsch, die Verkehrsmisere zu überfliegen, ist in Österreich leider auch noch eine. Der könnte aber sehr schnell und noch dazu preiswert Realität werden – vorausgesetzt, dass man anstelle der Flügel die geeigneten modernen elektrotechnischen Hilfsmittel einsetzt.
Eine Art Stadtseilbahn
Präzisieren wir, was wir gerne hätten: Ein Beförderungsmittel mit hoher Leistung, das sich auf freier Bahn über den Stau erhebt. Und zwar zwischen strategisch wichtigen urbanen Punkten wie Flughafen, U-Bahn-Stationen, Einkaufszentren, Messegelände etc Dazu sollte es auch noch umweltfreundlich – sprich emissionsarm und leise – und auf jeden Fall kostengünstig sein.
Um dem Stau zu entkommen, müsste man sich – im wahrsten Sinn des Wortes – über ihn hinwegsetzen. Dazu wäre eine Art Stadtseilbahn über unseren Köpfen erforderlich. Allerdings fragt es sich, ob so etwas ohne große Schwierigkeiten machbar ist, was es kostet und – last but not least – wie sich so eine Seilbahn in unser Stadtbild einfügt.
Made in Austria
Die Antwort auf all diese offenen Fragen gibt ein modernes neues System, ein Produkt der österreichischen Seilbahnfirma Doppelmeier und der Firma Siemens: der Cable Liner . Er ist ein benutzerfreundliches Beförderungsmittel, das auf Säulen und Stützen in Hochlage versetzt wird und auf Schienen läuft.
Zu Beginn des Jahrtausends war das Interesse an dieser neuen urbanen Verkehrsinitiative erheblich. In einigen großen Städten tragen Cable Liners bereits erfolgreich zur Verkehrsentlastung in den Rush Hours bei.
In Japan setzt man ein ähnliches System schon seit den Achtzigerjahren ein. Ich hatte schon vor Jahren in einigen japanischen Städten Gelegenheit, mich von seinen vielen Vorzügen zu überzeugen.
Benutzerfreundlich
In einer kleinen Wartestation – nicht größer als ein geräumiges Wohnzimmer – steigen die Fahrgäste ein und aus. Der Einstieg ist niveaugleich, also optimal geeignet für Behinderte, Mütter mit Kinderwagen und ältere Menschen. Die Kabinen sind klein, leicht gebaut und benutzerfreundlich. Während des Ein- und Ausstiegs taucht – in Sichtweite, immer den gleichen Abstand einhaltend – bereits die nächste Kabine auf. Der Intervall zwischen den einzelnen Wagen beträgt konstant 30 Sekunden. Es gibt keine Wartezeiten für die Fahrgäste, auch Fahrpläne haben sich erübrigt. Der abfahrende Wagen macht dem ankommenden Wagen Platz – und immer so weiter. Dazwischen bewegt sich in beiden Richtungen der Strom der Ein- und Aussteigenden. Alles geht schnell, weil unverzüglich – aber nicht hastig, sondern im gemäßigten Tempo. Das bedeutet optimale Sicherheit für die Fahrgäste.
Kostengünstig
In den Fahrzeugen gibt es keine Schaffner. Das System ist rationell. Es wird, wie beispielsweise auch bei der Seilbahn, von einer Person über eine Schaltwarte elektronisch gesteuert.
Es gibt noch zahlreiche andere Vorteile. Einer davon ist die rasche Bauweise: Würde man z.B. eine Cable Liner-Anlage von der U1 zu r U6 über die DonauCity errichten, so würde man für diese kilometerlange Strecke lediglich drei Monate Bauzeit benötigen. Grund- und Flächenbedarf sind geringer als vergleichsweise beim U Bahn-Bau, und die Kosten belaufen sich auf weitaus weniger als die Hälfte der Summen, die für den U-Bahn-Bau in Hochlage anfallen.. Dazu kommen weitere wirtschaftliche und umweltfreundliche Vorteile.
Ich konnte mich auch überzeugen, dass sich der moderne Cable Liner mit seinen schlanken Strukturen in unterschiedliche Stadtbilder einfügt, ohne sie zu stören.
Erfolglos
Ich war viele Jahre als Landtagsabgeordneter und Gemeinderat für die Donaustadt tätig. . Nachdem ich mich ausführlich über das neue System und seine Vorteile informiert hatte, tauschte ich meine Meinung mit den beiden damaligen Planungsstadträte Swoboda (SPÖ) und Görg (ÖVP) weiter. Sie bekundeten Interesse, daher erwartete ich gespannt ein positives Ergebnis. Das kam aber leider nicht – warum nicht, entzieht sich meiner Kenntnis. Letzten Endes hat wohl wieder das tiefe Misstrauen gegen alles Neue und Unbekannte, das uns Österreicher ganz speziell auszeichnet, den Fortschritt gebremst.
Schade. So bleibt der Cable Liner für die Donaustadt und ihre BewohnerInnen noch immer eine Illusion. Wie lang noch?