Jobs – eine Betrachtung der aktuellen Lage

Nachfolgend der spannende Artikel von Mag. Kuhn in der Ausgabe 22. gekürzt abgedruckt nun in voller Länge!
In letzter Zeit wird vielmals berichtet, dass da oder dort Jobs gestrichen werden. Die Begründung ist durchwegs wirtschaftlicher Natur. Mir kommt dabei der Werbespruch einer Arzneimittelfirma in Erinnerung, der ungefähr lautet: „Wir behandeln keine Hautkrankheiten, sondern wir helfen Menschen damit zu leben.“ Welcher Gegensatz! Die einen nützen hauptsächlich sich selbst, indem sie den Profit durch Wegrationieren sichern, die anderen gestehen ein, dass sie angesichts der biologischen Tatsachen machtlos sind, versprechen jedoch, sich um die Betroffenen zu sorgen.

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Mag. Johann Kuhn

Eine Zeitung wirbt mit der Aussage: „Glücklich ist wer den passenden Job findet.“ Mir gefällt das nicht! Ein Job ist ein inhaltlich bzw. zeitlich umschriebener Auftrag, der nach Erledigung beendet ist. Ein gewisser Sebastian Vettel klingt mir im Ohr: „Phantastic! Good Job!“ Rennen gewonnen, Pokal übernommen, Siegerinterview absolviert – Job erledigt.

Typischer weise unterscheiden wir zwischen sportlich-künstlerischen Fähigkeiten und Berufsausbildung. Sogar Kaiser Franz Josef I hat einen „Brotberuf“ erlernt, er war Buchdrucker.
Aber! Es schleichen sich bedenkliche Entwicklungen ein. Selbst Hochschulen bieten keine universitäre (umfassende) Ausbildung mehr an. Statt dessen werden unsere Jungakademiker Bachelor. Erklärtes Ziel ist, in möglichst kurzer Zeit und mit wenig Aufwand Leute hervor zu bringen, die gerade genügend wissen, um Jobs = einfache Aufträge zu erledigen. Verständnis für eine wissenschaftliche Lehre? Fehlanzeige, das wird nicht gebraucht! Traditionelle Lehrberufe verschwinden aus dem Angebot der Berufsschulen, statt dessen werden einzelne Fertigkeiten vermittelt, damit die Absolventen möglichst gut funktionieren, eben Jobs erledigen können.

Entsprechend sieht es auf unserem Arbeitsmarkt aus. Gesucht werden jugendliche Routiniers, flexibel, einsatzfreudig und anspruchslos. Damit das nicht auf den ersten Blick auffällt, werden Anglikanismen verwendet, die beispielsweise einen Hausmeister als Facility-Manager ausweisen.

Älteren Arbeitssuchenden wird oft entgegen gehalten, überqualifiziert zu sein. Welch fürchterliche Feststellung! Wir wollen Dich nicht, weil Du zu gut bist. Solches muss sich auf die Befindlichkeit auswirken – tut es auch! Stellensuchende bereichern die Statistik der Langzeit-Arbeitslosen oder gründen ein EPU (Ein-Personen-Unternehmen). Damit nehmen sie jenes wirtschaftliche Risiko ganz alleine auf sich, das die Großen für sie zu tragen verweigern. Oberflächliche Darsteller freuen sich über eine neue Gründerwelle. Was wirklich dabei herauskommt, lese ich in der jüngsten Veröffentlichung der Wiener Wirtschaftskammer über Konkurse: das Durchschnittsalter beträgt 48 Jahre.

Ein anderer Quell des Unbehagens sind Leih- und Kurzarbeit. Im Ursprung dafür gedacht, aufgrund von Auftrags- oder Umsatzeinbußen gefährdete Arbeitsplätze zu halten, lagern Industriekonzerne (die gerne mit ihrer Arbeitnehmerfreundlichkeit Reklame machen) dieses Risiko auf die Allgemeinheit (der verminderte Lohn bei Kurzarbeit wird vom Arbeitsmarktservice ausgeglichen) oder Fremdfirmen aus (diese zahlen geringere Löhne, weil andere oder gar keine Kollektivverträge gelten). An eine Aufstockung des Stammpersonals bei steigendem Arbeitsanfall denkt niemand (Beweis: Gehaltsverhandlungen für die Metaller, die mit der Vereinbarung zu Ende gegangen sind, über eine – weitere – Flexibilisierung der Arbeitszeiten zu reden).

Arbeitnehmer finden sich als Kostenverursacher, in Zahlenfriedhöfen Humankapital genannt. Was Wunder, wenn das Selbstwertgefühl schwindet, vor allem dann, wenn irgendein Konzernsprecher erklärt, dass Jobs gestrichen oder ganze Fabriken geschlossen werden (schönfärbend im Kapitel Standortbereinigung und Synergien abgehandelt).

Die sprichwörtlichen Hausherren und Seidenfabrikanten vergangener Jahrhunderte waren alles andere als Philanthropen. In den Manufakturen der frühen Industrialisierung wurden viele ArbeiterInnen brutal ausgebeutet und in sozialer Not gehalten. Im Unterschied zu heute konnten die Betroffenen von damals reale Ursachen erkennen und sich für konkrete Verbesserungen einsetzen. Wer derzeit am Wirtschafts- und Arbeitsleben teilnimmt, befindet sich entweder unter Leistungsdruck oder im frustrierenden Abseits – das gilt durchwegs für Unselbständige genau so wie für Selbstständige.

Das macht die Lösung so schwer!

Niemand ist mehr persönlich verantwortlich (auch nicht bevollmächtigt), alles gehorcht den Gesetzen der Wirtschaft, die da sind: Konkurrenz belebt das Geschäft, Die Großen fressen die Kleinen, Profit ist oberstes Gebot, Wachstum geht über alles. Es versteht sich von selbst, dass diese Ziele nicht beliebig oft und lange erreicht werden können. Was geschieht wenn die Realität nicht passt? Bilanzen werden geschönt (Hypo-Alpe-Adria) und selbst Regierungen (nicht nur die griechische) argumentieren mit falschen Zahlen.

Angesichts des Unvermögens, das eigene Schicksal zu bestimmen, grassiert ein Gefühl des Ausgeliefert-Seins. Obwohl unser Leben so angenehm ist wie noch nie, nehmen wir uns Beispiele, die eigentlich keine sind, und verzweifeln an den Unzulänglichkeiten, die uns als Menschen innewohnen. Schon die alten Griechen wussten: „Des Lebens ungemischte Freude ward keinem Irdischen zuteil.“

Was geht hier eigentlich vor?

Der Grundsatz: „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“ gerät immer mehr ins Hintertreffen. Die Erziehung unserer Heranwachsenden übertragen wir Institutionen, in denen sich Fachleute redlich, aber mit wenig Aussicht auf Erfolg bemühen, aus Kindern kleine Erwachsene zu machen. Die schier endlosen Bemühungen, ein neues Dienstrecht zu vereinbaren, sind ein beredtes Indiz dafür, dass auch unsere Lehrer zutiefst verunsichert sind. Regierung und Pädagogen reden seit Jahrzehnten aneinander vorbei!

Warum erfolglos?

Weil das, was „Elternhaus“ genannt wird, kaum noch existiert. Löhne, Gehälter und Einkommen sind in den letzten Jahrzehnten ihrem realen Wert nach derart gesunken, dass eine durchschnittliche Familie praktisch nur existieren kann, wenn beide Elternteile erwerbstätig sind; Alleinverdiener, die mit einem Gehalt Partner und Kinder erhalten, sind seltene Ausnahmen. Die wichtigste biologische Berufung, nämlich eine Familie zu betreuen, findet beschämend wenig Anerkennung. Wer sich als Hausfrau bezeichnet, fügt oft „nur“ oder „derzeit“ hinzu, als müsste sie sich dafür entschuldigen; Hausmänner stehen überhaupt schnell im Verdacht, nicht normal zu sein. Für die Tätigkeit im Haushalt wären Bezeichnungen wie „Master of Private Affairs“, „CEO of Family“ oder „Family Manager“ durchaus angebracht; solange es sich dabei nicht um einen etablierten Job handelt, bleibt es beim „nur“ und es gibt dafür keine finanzielle Abgeltung.

Es ist mir bewusst, dass meine Abhandlung keine Lösung bewirkt, aber ich denke an den Begründer der Logotherapie Viktor Frankl, der gesagt hat: „Alles was uns widerfährt, hat einen Sinn! Selbst in scheinbar ausweglosen Situationen liegt die Chance für eine bessere Zukunft.“ und das gibt immerhin Hoffnung.

Ihr
Mag. Johann Kuhn

 

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