Vor einem Monat habe ich gleichsam vorübergehend die Fronten gewechselt. Das kam so: Ein routinemäßiger Laborbefund hat den Verdacht auf eine erhebliche Erkrankung ergeben. Unverzüglich nahm ich Verbindung mit einem befreundeten Arzt auf und vereinbarte zur Absicherung eine weitere diagnostische Maßnahme.
Diese Untersuchung hat die ursprüngliche Diagnose bestätigt. Damit war gewiss: Es sollte etwas geschehen. Inzwischen waren einige Wochen vergangen und ich hatte Gelegenheit, mich auf die Situation einzustellen. Zuerst trat eine Phase der Verdrängung ein: Mich kann doch so etwas nicht betreffen! Ernsthafte Krankheiten bekommen doch nur andere! Dann – es blieb ja nichts übrig – begann ich mich mit der Angelegenheit auseinanderzusetzen. Wie immer boten sich mehrere therapeutische Möglichkeiten: konservative und chirurgische. Konervativ hieße von abwarten und beobachten über physikalische bis medikamentöse – von diesen wieder „schulmedizinische“ oder komplementäre – Methoden. Chirurgisch ist verhältnismäßig klar: Wie von einem angefaulten Apfel wird herausgeschnitten, was nicht mehr in Ordnung ist.
Als Mann der Tat habe ich mich für eine chirurgische Intervention entschlossen. Mein Freund bot mir an, einen seit Jahrzehnten erfahrenen Operateur in Anspruch zu nehmen. Ich willigte ein und bat ihn, einen Termin zu vereinbaren. Die Vorgangsweise sollte eine offene sein, das heißt, man hätte einen mehr oder weniger langen Schnitt durch meine Bauchdecke gemacht, sich zum Ort des Geschehens voran gearbeitet und nach erledigter Arbeit alles wieder schichtweise zugenäht. Mit dieser Aussicht durchforschte ich das Internet und kam drauf, dass es eine mikroinvasive Alternative gibt. Dabei werden zierliche Instrumente durch einige (bei mir waren es deren sechs) Löcher in die Bauchhöhle eingeführt. Die Operation an sich ist bei dieser „Schlüssellochchirurgie“ dieselbe wie bei der offenen Variante, hat jedoch eine kürzere Rekonvaleszenz und geringere Wahrscheinlichkeit von Komplikationen (z.B. Vernarbungen) zur Folge.
Durch weitere Nachforschungen – zufällig war ein anderer befreundeter Arzt drei Wochen vor mir auf dieselbe Art operiert worden – kam ich in ein Krankenhaus in Oberösterreich.
Inzwischen ist die Operation erfolgreich vonstattengegangen und ich werde in den nächsten Tagen meinen Krankenstand beenden.
Erkenntnisse
Als ausübender eines Gesundheitsberufes fällt es mir leicht, Ratschläge zu erteilen, selbst betroffen ging es mir wie jedem anderen: Es stellten sich viele Fragen, auf die es wenige Antworten gab. Die modernen Kommunikationstechniken versetzten mich in die Lage, innerhalb kurzer Zeit zu einem mündigen Patienten zu werden. Dadurch kam ich aus der Situation des mehr oder weniger ausgelieferten Leidenden (lateinisch: Patient) heraus und konnte selbst die anstehenden Entscheidungen treffen. Entgegen meiner Befürchtung hatten alle Ärzte und Instanzen für mein zunächst wankelmütiges Verhalten größtes Verständnis und machten mich ausdrücklich auf die Möglichkeit der Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung aufmerksam.
Spitalsaufenthalt
Wie vor größeren Operationen üblich, hatte ich einige Untersuchungen und Vorbereitungen über mich ergehen zu lassen. Besonderer Wert wurde auf die Aufklärung sowohl über Zweck und mögliche unerwünschte Auswirkungen der Operation als auch über die Art der Anästhesie (Narkose) gelegt. Aus rechtlichen Gründen musste ich wie alle Kandidaten umfangreiche Schriftstücke unterschreiben, zum Nachweis, dass ich über alles informiert und aufgeklärt worden war (das ist wie in vielen Bereichen des täglichen Lebens eine Formsache, aber ohne Unterschrift keine Behandlung). Am zweiten Tag wurde ich operiert. Danach befand ich mich etwa 20 Stunden in intensivmedizinischer Überwachung. In einem abgedunkelten, eher großen Raum musste ich nahezu regungslos liegen. Hätte ich mich heftiger bewegt, wären die Verbindungen zu den Geräten und Infusionsflaschen womöglich unterbrochen worden. Außer Wasser – und das erst nach einigen Stunden – bekam ich die ganze Zeit nichts zu essen oder trinken. Verschärfend kam hinzu, dass mein Überwachungsgerät in unregelmäßigen Abständen Warnsignale von sich gegeben hat. Dasselbe spielte sich bei den anderen durchschnittlich fünf Leidensgenossen ab. Obwohl unter diesen Umständen an Schlaf nicht zu denken gewesen ist, lehnte ich mehrmals angebotene Schlafmittel dankend ab. Statt dessen forderte ich beim leisesten Aufkeimen von Schmerzen ein entsprechendes Mittel (selbstverständlich intravenös, wozu hat man denn drei geeignete Zugänge). Durch diese intensive Schmerzbekämpfung blieb ich von bewussten und unbewussten! Schmerzen verschont, es entwickelte sich kein Schmerzgedächtnis und ich benötigte in den folgenden Tagen viel weniger Schmerzmittel als zu erwarten gewesen wäre. Nebenbei machen diese – den Opiaten zugehörigen – Medikamente müde und vernebeln die zeitliche und örtliche Orientierung (wie bei Alkoholisierung).
Schwieriger Patient
Da ich im Krankenhaus nicht persönlich bekannt war, blieb mein Beruf dem Pflegepersonal zunächst unbekannt. Wie die Routine vorschreibt, hat man sich angeschickt, mir verschiedenste Arzneien zu verabreichen. Grundsätzlich und überhaupt forderte ich entsprechende Informationen und ließ mir nicht alles einverleiben. In Gesprächen mit den Ärzten konnte ich einerseits Verständnis für meine Ablehnungen erwirken, ließ mich jedoch auch von der Sinnhaftigkeit mancher Vorhaben überzeugen (ich wollte ja nicht schuld sein an einem ungünstigen Heilungsverlauf). Von da an hieß es: „Hier ist ein Mittel für …. – oder wollen sie das auch nicht.“
Schlussfolgerungen
In Zeiten des mündigen Patienten erwarten aufgeschlossene Ärztinnen und Ärzte die aktive Mitarbeit der Betroffenen und deren Angehörigen. Als PatientIn sind sie gefordert, sich über ihren Zustand und die Möglichkeiten der Behandlung selbst schlauzumachen. Die Medizin ist Ihr Partner bei der Auswahl der für Sie entsprechenden Therapie. Je besser informiert und je überzeugter Patient und Angehörige sind, desto positiver sind die Aussichten für ein zufriedenstellendes Ergebnis.
Mit den dargestellten eigenen Erfahrungen werde ich zukünftig noch besser in der Lage sein, Sie in gesundheitlichen Belangen kompetent zu beraten.
Ihr Mag. J. Kuhn